11. Oktober 2024
Reise- und Ausflugstipps

Ein Kärntner als Naturschutz-Pionier in Australien

Vor 150 Jahren wurde in Spittal Gustav Weindorfer geboren, der den Grundstein für den berühmten Cradle Mountain-Nationalpark in Tasmanien legte.

1910, am entgegengesetzten Ende der Welt. Als die Wanderer den Cradle Mountain im zentraltasmanischen Hochland erklommen haben, gießt die Sonne gleißendes Licht über eine urtümliche Heide- und Moorlandschaft. Zu ihren Füßen breiten sich Seen aus, die tintenblau schimmern. Einer aus der Partie blickt über die Wunderlandschaft und befindet spontan: „Das muss auf ewig ein Nationalpark für die Menschheit werden“.

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Der Mann hieß Gustav Weindorfer, wurde am 23. Februar 1874 in Spittal geboren und sollte der Wegbereiter für den Cradle Mountain-Lake St. Clair-Nationalpark werden, eines der berühmtesten Schutzgebiete in „Down under“. Weindorfer hatte in Mödling eine landwirtschaftliche Ausbildung absolviert und war im Weinbau tätig, bevor ihn Abenteuerlust und der Mangel an Berufsperspektiven dazu brachten, in Australien sein Glück zu versuchen. Im Jahr 1900 emigrierte er 26-jährig. In Melbourne lernte er seine künftige Frau Kate Cowle kennen, die ihn in ihre Heimat Tasmanien lotste. Liebe auf den ersten Blick fesselte ihn an die raue Insel im Südosten Australiens, die mit 68.000 Quadratkilometern sieben Mal so groß ist wie Kärnten.

Das von den Eiszeiten geformte Hochland im Landesinneren war damals noch kaum erschlossen – und hier fand Weindorfer seine neue Heimat. Ob er sich an die Berge Kärntens erinnert fühlte, ist nicht überliefert, darf aber angenommen werden. Kate und Gustav betätigten sich als Farmer im Cradle Valley, als Naturforscher – Weindorfer hatte in Australien seine Liebe zur Botanik entdeckt – und bald auch als Gastgeber, die diese Landschaft einer breiteren Öffentlichkeit bekannter machen wollten.

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1912 eröffneten sie die rustikale „Waldheim“-Schutzhütte und Anlaufstelle für Wanderer. Je bekannter die Gegend, so glaubten die Öko-Pioniere, desto größer wäre die Chance, sie vor Bergbau, Abholzung und landwirtschaftlicher Nutzung zu bewahren. Bald schon trugen die Besucher die Kunde von einem Landstrich voller Naturschönheiten nach außen. Bizarre, schroffe Formen zeigen die aus Dolerit-Gestein bestehenden Berge. Sie wachen über eine mit Büschelgras, Sträuchern und vereinzelten Wäldern bestandene Hochebene. Hier wachsen zähe Schuppenfichten, zwergwüchsige Buchen, Eukalyptus-Bäume und Pandani-Pflanzen mit palmenähnlichen Blättern.

Nicht alles war eitel Wonne. Im Ersten Weltkrieg hatte Weindorfer – schon 1905 in Australien eingebürgert – mit Verdächtigungen zu kämpfen, er betreibe Spionage für sein Geburtsland. Dann ein Schicksalsschlag: 1916 starb Kate Weindorfer. Der Witwer zog sich zunehmend zurück und wurde vor allem in den langen Wintern im Cradle Valley zum Einsiedler. Doch sein Engagement lebte bald wieder auf. Auf Vortragsreisen in die tasmanische Hauptstadt Hobart und auf das australische Festland rührte er die Trommel für die Errichtung eines Nationalparks. Einen ersten Erfolg gab es 1922, als die tasmanische Regierung zwei getrennte Gebiete um den Cradle Mountain im Norden und den Lake St. Clair im Süden als schützenswert auswies.

Die Früchte seiner Lobbying-Arbeit konnte Weindorfer (1874-1932) noch ansatzweise erleben: Am 5. Mai 1932 starb der Öko- und Tourismus-Pionier aus Kärnten an einer Herzattacke. Er war 58 Jahre alt geworden. Seine Freunde bestatteten ihn, wie „Dorfer“ es gewünscht hatte, mit Blick auf den Cradle Mountain. Als 1938 ein Denkmal über der Grabstelle errichtet wurde, würdigte ihn ein Regierungsvertreter mit den Worten: „Es blieb einem eingebürgerten Australier vorbehalten, eine der vorzüglichsten Berglandschaften des Staates der breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen“.

1947 erfolgte dann die offizielle Gründung des Nationalparks Cradle Mt.-Lake St. Clair. Das 1.600 Quadratkilometer große Schutzgebiet gehört zu den größten Attraktionen Tasmaniens. Mittendurch schlängelt sich auf einer Länge von gut 70 Kilometern der berühmte Overland Track. Man kommt vorbei an Plätzen, die Weindorfer benannte, und mit etwas Glück bekommt man auch Bennett’s Wallabies, eine kleine Känguru-Art, Schnabeligel oder einen tasmanischen Beutelteufel zu sehen.

Die Waldheim-Lodge – eine Nachbildung des bei einem Brand zerstörten Originals –beherbergt heute eine Ausstellung zur Geschichte des Nationalparks und seiner Initiatoren. Und auch die „Friends of Cradle Valley“, eine Gruppe von Naturfreunden aus der Region, halten die Erinnerung an den Visionär aus Kärnten und seine australische Mitstreiterin aufrecht.

Webtipps:

Buchtipp:

  • Kate Legge – Kindred: A Cradle Mountain Love Story (Melbourne, 2019) (u. a. bei Amazon)

Text: Stefan Spath

Fotos (von links oben nach rechts unten):

  1. Gustav Weindorfer – In der tasmanischen Wildnis fand der Kärtner Gustav Weindorfer (1874-1932) eine neue Heimat. Die Aufnahme zeigt den Naturschutzpionier um 1920. Foto: F.Smithies Collection – Tasmanian Archives, NS573/4/1/1
  2. Cradle Mountain 2 – Das Cradle Mountain-Massiv ist zu einem Symbol für die tasmanische Wildnis geworden. Links Little Horn, rechts neben dem Einschnitt ragt Weindorfers’s Tower in den Himmel. Der Hauptgipfel ist am Ende des Massivs zu finden. Im Vordergrund Dove Lake. Foto: Stefan Spath
  3. Unterwegs auf dem Overland Track: Bizarre Tafelberge begleiten die Wanderer auf dem Weg durch den Nationalpark Cradle Mountain – Lake St. Clair. Foto: Stefan Spath
  4. Denkmal und Grab Gustav Weindorfer  – Gustav Weindorfer wurde nach seinem Tod 1932  in der Nähe der Waldheim-Lodge begraben. Später wurde ein Denkmal errichtet, wo bis heute mitunter kleine Gedenkfeiern in Erinnerung an den Kärtner Naturschutzpionier und seine Frau (geb. Cowle) ausgerichtet werden. Foto: Friends of Cradle Valley – www.friendsofcradlevalley.org
  5. Gustav Weindorfer Gedenkstein_Inschrift – Die Bronzeplatte trägt die schlichte Inschrift: „Gustav Weindorfer. 23rd Feb. 1874 5th May 1932“. Foto: Friends of Cradle Valley – www.friendsofcradlevalley.org
  6. Das mit einem dichten Pelz ausgestattete Bennett’s Wallaby, das auch rund um das Besucherzentrum des Nationalparks und auf dem Overland Track anzutreffen ist. Foto: Stefan Spath
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